Der frühe Vogel... (warum Frühaufstehen nicht für alle funktioniert)
- Daniela Ott

- 1. Okt.
- 3 Min. Lesezeit
Der frühe Vogel... ist mir unbekannt. Denn in der Frühe schlafe ich, und wenn ich nicht schlafe, weil ich verpflichtend zu nachtschlafender Uhrzeit irgendwo sein muss, oder meinen Nachwuchs irgendwo hin bringen muss, bekomme ich nichts von irgendwelchen Viehchern mit.
Diese unsere Morgenstund-hat-Gold-im-Mund-Gesellschaft stört mich persönlich sehr. Die Rhythmen und Anforderungen des deutschen Alltags sind so gar nicht meines. Regelmäßig früh aufstehen zu müssen ist ein echtes Problem. Nicht nur, weil ich nicht gescheit aus dem Bett komme. Sondern auch, weil meine kreativen Hochphasen nach 20 Uhr beginnen, und ich, um morgens nicht völligst fertig zu sein, es mir nicht leisten kann, weit nach 0 Uhr ins Bett zu gehen.
So verpasse ich drei bis vier Stunden superproduktiven Hyperfokus. Ich hätte wahrscheinlich schon ein interstellares Raumschiff entwickeln oder Krebs heilen können, wenn die Gesellschaft nur aufhören würde, mich zu zwingen, ständig zu Uhrzeiten aufzustehen, bei denen mein Körper nur leise “Schlafenszeit” murmelt.
Ich mag zwar ein Extrembeispiel sein, jedoch gibt es genug Mitmenschen, die auch darunter leiden, dass z.B. Schule einfach exorbitant früh (meist vor 8 – da schlafe ich noch, wenn man mich lässt!) anfängt. Es heißt ja oft, das ginge nicht anders, weil die Eltern schließlich auf die Arbeit müssen, aber ganz ehrlich, bei den meisten Jobs wärs schon ganz okay wenn die Leute da erst gegen 10.30 auftauchen. Klar gibt es auch Tätigkeiten, da braucht es rund um die Uhr Besetzung (von Krankenhaus bis Zugführer), aber es gibt dankenswerterweise ja auch genug Morgenmenschen, die das übernehmen und sich dafür freuen, nicht die verhasste Spätschicht machen zu müssen, wenn gegen 23 Uhr ihr Körper “Schlafenszeit” murmelt. Oder sogar schon um 21.30.
Daher stellt sich mir die Frage: Muss das sein? Muss Schule so früh anfangen? Oder Arbeit? Braucht es wirklich so viel Zeit des Tages, damit sich Kinder die vorgegebenen Infos (mehr oder weniger gut) aneignen? Reicht nicht Schule von 9/9.30 bis 14 Uhr? Betreuungsmöglichkeiten davor und danach sind ja auch eine Option, aber so als muss-da-sein-Zeit? Und würde für die meisten Vollzeit-Stellen das nicht auch reichen? Wenn man die ganzen Kaffezeiten, Raucherpausen, heimlich-auf-dem-Handy-Social-Media-Scroll-Zeiten wegrationalisiert, Arbeitsabläufe strafft und sinnlose Meetings ersatzlos streicht? Und würden wir davon nicht alle profitieren?
Nur mal so überlegt.
Ich für meinen Teil versuche natürlich, mein Leben möglichst so zu gestalten, dass die Umstände mir gut tun und mich in meiner Dienlichkeit und Produktivität unterstützen. Daher bin ich froh und dankbar, dass unsere Schule erst um 9 beginnt. Und werde versuchen, auch weiterhin eine Schule auszuwählen, die uns einen guten Start in den Tag erlaubt. Denn der Gewinn an Lebensqualität im Gegensatz zum quälenden Beginn um 7.45 ist so groß, dass ich mir eine Rückkehr zu diesen Zeiten gar nicht mehr vorstellen mag.
An dieser Stelle schreien die ganzen “Reißdichmalzusammens” und “Darangewöhnstdudichschons” wahrscheinlich laut auf. Denn was ist das denn bitte, Verweigerung des “so ist das also pass Dich an”? So geht es aber nicht! Wo kämen wir denn da hin, wenn jeder einfach tut, was ihm gut tut, und sein Leben nach seinen persönlichen Bedürfnissen ausrichtet? Da höre ich schon die “Faulenzer” und “Schmarotzer” - Rufe. Doch ist das wirklich wahr? Ich meine, das Gegenteil ist der Fall. Wenn ich dafür sorge, dass ich gut funktionieren kann, dass ich produktiv sein kann, dann trage ich im Endeffekt viel mehr Positives bei, als wenn ich mich müde und genervt durch die Tage schleppe, nur um am Ende nichts geschafft zu bekommen. Bringt doch keinem was. Daher nehme ich mich ernst, erkenne an, dass die gesellschaftlich erwünschten und geforderten Rhythmen einfach nichts für mich sind, sehe zu, mir selbst so gut wie möglich gerecht zu werden – zu meinem Wohl, aber auch zum Wohl aller anderen – und verurteile schließlich auch niemanden dafür, gerne früh aufzustehen, aber abends auch früh müde zu sein. Fazit: Frühaufstehen funktioniert einfach nicht für alle. Genausowenig wie spät hochproduktiv sein. Von daher: Einfach leben und leben (oder besser: schlafen) lassen. Und nicht seine Mitmenschen als "faul" o.ä. bezeichnen und abwerten, nur weil sie einen anderen Chronotypen haben als man selbst.



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